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Eine Veranstaltung der Universitätsbibliothek Hagen am Dienstag, 30. Oktober 2012, 19–21 Uhr (Eintritt frei). Die Veranstaltung findet statt im KSW-Seminargebäude, A. 0.004-006 (Universitätsstraße 33, 58097 Hagen)
Ödön von Horváth, 1901 in Fiume, dem heutigen Rijeka, als Sohn einer deutschsprachigen Familie mit ungarischen Wurzeln geboren, wurde seit den späten zwanziger Jahren als der bedeutendste junge Theaterautor des deutschen Sprachraums neben Bertolt Brecht erkennbar. In Dramen wie „Italienische Nacht“, „Geschichten aus dem Wiener Wald“ und „Kasimir und Karoline“ entwickelte Horváth die Gattung des kritischen Volksstücks. Sein Theater schildert mit großer poetischer Kraft, sprachlicher Reflektiertheit und politischem Weitblick die krisengeschüttelte kleinbürgerliche Welt um 1930. Die Gestalten Horváths sind arbeitslos oder müssen zumindest um ihre soziale Stellung kämpfen, doch statt solidarisches Verhalten zu entwickeln, versuchen sie blind und verzweifelt, ihren vorgeblichen gesellschaftlichen Rang zu behaupten.
Hitlers Machtübernahme im Jahre 1933 bedeutete auch für Ödön von Horváth einen tiefen Einschnitt. Horváths bitter-illusionslose Werke konnten auf deutschen Bühnen nicht mehr aufgeführt werden, entsprach ihr Gesellschaftsbild doch so gar nicht dem der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“. Horváth versuchte zunächst, mit unpolitischen Arbeiten für den Film sein Auskommen zu finden, schließlich ging er wie vor ihm Bertolt Brecht, Thomas Mann, Anna Seghers und ungezählte andere Autoren und Autorinnen ins Exil. Am 1. Juni 1938 wurde Ödön von Horváth in Paris während eines Gewitters von einem Baum erschlagen.
Der Roman „Ein Kind unserer Zeit“ ist das letzte vollendete Werk des Autors, er erschien posthum im Herbst 1938.
Das Buch schildert in Ich-Form die Geschichte eines etwa zwanzigjährigen Soldaten, der in einem Land lebt, das viele Züge des nationalsozialistischen Deutschland trägt. Der Ich-Erzähler war jahrelang arbeitslos, nun findet er im militärischen Drill einen Halt. Die herrschende völkische und militaristische Ideologie verleiht ihm eine scheinbare Zukunftsperspektive und das Gefühl der Überlegenheit. Als Soldat wird er zu einem willenlosen Werkzeug in den Händen seiner „Führer“. Der brutale militärische Überfall auf ein wehrloses Nachbarland, an dem er teilnimmt, verändert ihn aber. Er erfährt, dass der von ihm verehrte Hauptmann aus Scham über die Kriegsverbrechen der eigenen Seite den Tod gesucht hat. Als arbeitsloser Kriegsinvalider auf die Hilfe anderer angewiesen, wird ihm bewusst, von den „Führern“ seines Landes betrogen worden zu sein. Die Erkenntnis seiner aussichtslosen Lage führt ihn schließlich in den Selbstmord.
Ödön von Horváths Roman, der die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs vorwegnimmt, schließt mit den Worten: „Bedenk es doch. Er wußt sich nicht anders zu helfen, er war eben ein Kind seiner Zeit.“