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Eine Veranstaltung der Universitätsbibliothek Hagen in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Französischen Gesellschaft Hagen e.V., der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hagen und Umgebung e.V. und der Jüdischen Gemeinde Hagen am Dienstag, 13. November 2012, 19 – 21 Uhr (Eintritt frei). Die Veranstaltung findet statt im KSW-Seminargebäude, A. 0.004-006 (Universitätsstraße 33, 58097 Hagen).
Patrick Modiano, 1945 als Sohn einer flämischen Mutter und eines jüdischen Vaters nahe Paris geboren, gehört zu den bekanntesten französischen Schriftstellern seiner Generation. Schon Modianos erster 1968 erschienener Roman „La Place de l´étoile“ greift ein Motiv auf, das der Schriftsteller auch in zahlreichen späteren Erzählwerken behandelt: die Suche der Hauptgestalt nach den Spuren der eigenen Vergangenheit, getrieben vom Wunsch nach einer gefestigten Identität. Schritt um Schritt entsteht dabei ein eindringliches Bild der Stadt Paris, wird die Epoche des Zweiten Weltkriegs und die Nachkriegszeit lebendig.
1988 stieß Patrick Modiano in einer Pariser Zeitung vom Dezember 1941 – die Stadt war damals von den Deutschen besetzt - auf folgende Anzeige: „Gesucht wird ein junges Mädchen, Dora Bruder, 15 Jahre alt, 1,55 groß, ovales Gesicht, graubraune Augen, sportlicher grauer Mantel, weinroter Pullover, dunkelblauer Rock und Hut, braune sportliche Schuhe. Hinweise erbeten an Monsieur und Madame Bruder, 41 Boulevard Ornano, Paris“.
Modiano verwandte diese spärlichen Angaben zunächst in einem fiktiven Text, dem 1991 erschienenen Roman „Hochzeitsreise“. Doch das Schicksal des jüdischen Mädchens ließ ihn nicht mehr los. Er schritt Doras mutmaßliche Wege ab, durchsuchte amtliche Unterlagen, fand eine Cousine von Dora. Einige Lebensspuren konnte er entdecken: Daten, Akteneinträge, Fotografien.
„Dora Bruder“, 1997 erschienen, ist ein Werk, in dem nichts erfunden ist, das aber weit über einen nüchternen Tatsachenbericht hinausgeht. Patrick Modiano setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Generation, die nach der Shoah geboren wurde, die Aufgabe des Erinnerns erfüllen kann. Er stellt das Schicksal des jungen Mädchens in eine Verbindung zu dem seines eigenen jüdischen Vaters, ja, er identifiziert sich mit Dora. Vieles aber muss offen bleiben: Warum hat Dora Bruder die – vielleicht trügerische - Sicherheit des katholischen Internats verlassen, in dem ihre Eltern sie untergebracht hatten? Wie konnte sie monatelang in der feindlichen Umwelt der besetzten Stadt überleben? Mitte 1942 wird Dora verhaftet, um nach Auschwitz deportiert zu werden. Dann verlieren sich ihre Spuren, ebenso wie die ihrer Eltern.
Gerade weil Patrick Modiano auf eine fiktionale Darstellung verzichtet, lässt er Dora Bruder ein Geheimnis. Es ist, wie der Autor schreibt, ein „armseliges und kostbares Geheimnis das die Henker, die Verordnungen, die sogenannten Besatzungsbehörden (…), die Lager, die Geschichte, die Zeit – alles was einen erniedrigt und zerstört – ihr nicht rauben konnten.“