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Kriszti Kiss und Peter Schütze lesen den Roman von Johann Wolfgang von Goethe. Einführung: Georg Schirmers, UB Hagen
Eine Veranstaltung der Universitätsbibliothek Hagen am Dienstag, 09. Juni, und am Dienstag, 16. Juni 2015, jeweils 19 – 21 Uhr, in der Ellipse im ehemaligen TGZ, Universitätsstr. 11, 58097 Hagen
Eintritt frei
Eduard und Charlotte, zwei adelige Eheleute in mittlerem Alter, leben, ihre Liebhabereien pflegend, zurückgezogen auf ihrem Landgut. Beide waren bereits in der Jugend ineinander verliebt, sie wurden aber erst nach dem Tode der vorherigen Ehepartner frei füreinander.
Dies ist die Ausgangssituation in Johann Wolfgang von Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“, der erstmals 1809 erschien. Eduard äußert gegenüber Charlotte den Wunsch, dass sie beide den Hauptmann, seinen unverschuldet in Not geratenen Freund, auf das Schloss einladen. Seine Frau zögert zuzustimmen, denn ihre Erfahrung hat sie gelehrt, dass durch die „Dazwischenkunft eines Dritten“ das Verhältnis von Freunden, Geschwistern, Liebenden und Gatten „ganz und gar verändert werde.“ Eduard beharrt aber auf seiner Bitte, und so einigen sich die Eheleute darauf, nicht nur den Hauptmann, sondern auch Ottilie, die Pflegetochter Charlottes, einzuladen. Eduard und Ottilie, Charlotte und der Hauptmann verlieben sich ineinander. Es beginnt ein erotisches Wechselspiel, das die Handelnden zunächst beglückt, dessen unheilvolle Folgen sich aber bald abzeichnen. Am Ende steht der Tod, die Überlebenden bleiben ohne Trost zurück.
Goethe beschreibt dies in einer präzisen Sprache, die kunstvoll Motive und Symbole verknüpft. Der Erzähler enthält sich einer moralischen Bewertung, er ordnet die Romangestalten wie in einem wissenschaftlichen Versuch an.
Der Titel „Die Wahlverwandtschaften“ überträgt demgemäß einen Begriff aus der Chemie des späten 18. Jahrhunderts auf das menschliche Verhalten. Die Trennungen und Neuverbindungen zwischen den Menschen erscheinen als Analogien zu den Abstoßungs- und Anziehungskräften der Elemente. Die Frage, ob damit die freie Willensentscheidung verneint wird, lässt Goethe in der Schwebe.
Goethes ironische Schreibweise, sein Verzicht auf feste moralische Handlungsanweisungen und die Problematisierung der Ehe als Institution haben dazu geführt, dass viele Zeitgenossen das Werk als unsittlich verwarfen. Erst im 20. Jahrhundert setzte sich gerade auf Grund der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten des Romans die Erkenntnis durch, dass die „Wahlverwandtschaften“ ein moderner Text sind, dessen „dauerhafte Umstrittenheit“ (so der Germanist Theo Elm) die Leserschaft herausfordert.